Erinnerungen an die Nachkriegsjahre…

von Hinrich Kück, Klenkendorf 8 A

(image courtesy bern161616 / stock.xchnge)


Schnapsbrennen

In einer Bürgermeisterdienstversammlung, die einmal monatlich in „Gruben`s Hotel“ in Gnarrenburg stattfand, sagte der damalige Landrat J. Burfeindt: „Wenn laut Monopol keine alkoholischen Getränke zu haben sind, müssen wir uns selbst versorgen“ (vielleicht war es nicht dienstlich gemeint). Diese Worte sagte mir der damalige Bürgermeister Johann Murck.

Viele Menschen haben damals ihren Schnaps schwarz gebrannt. Mein Freund Hinrich Wilshusen hatte sich ein ganz primitives Gerät zum Schnapsbrennen gebaut. Hierfür wurden Zuckerrüben einige Tage zur Gärung gebracht, anschließend in einem Kessel gekocht, der luftdicht abgeschlossen wurde. Der alkoholische Dampf kühlte in einem Rohr ab und die Flüssigkeit wurde in Flaschen abgefüllt.

Ich befasste mich damit und wollte selbst, irgendwie, ein Gerät zum Schnapsbrennen beschaffen. Eines Tages fuhr ich in Bremervörde auf der Neuen Straße, als bei Schlachter Gütersloh ein LKW aus Hamburg hielt. Auf der Ladefläche waren viele Behälter für Schlachtabfälle. Ein solcher Behälter, den man sehrgut verschließen konnte, tat es mir an. Zu damaliger Zeit, konnte man so etwas nicht für Geld bekommen, also erstand ich einen nach kurzen verhandeln für Zigaretten.

Der Behälter wurde zur Molkerei gebracht. Unser Milchwagenfahrer nahm ihn mit und brachte in mir nach Hause. Diese äußerst praktische Beförderung nahmen wir laufend in Anspruch. Zum Beispiel brachte er von Bäcker Glüsing zwei bis dreimal die Woche je 25 bis 40 Brote für unseren Kolonialwarenladen mit nach Klenkendorf.

Zum Bau der Anlage besorgte mein Vater irgendwie 2 Meter Kupferrohr aus einer ausgedienten Lok. Kupferrohr war für die Abkühlleitung bestens geeignet.

Jetzt brauchte ich noch einen Fachmann, der mir die Anlage fertig stellte. Fritz Bondscheid, der in der Schmiede Freese in Fahrendorf beschäftigt war, konnte das. Fritz kannte ich gut und bekam von ihm ein sehr gutes Gerät gebaut. Gerne gab ich ihm dafür ein Paket Tabak.

Mit der Zeit sammelte man Erfahrung. Erst brannte ich die Rübengährung, dann den gewonnenen Alkohol ein zweites Mal. Bei H. Paulsen hatte ich einen Alkoholmesser erworben. So konnte ich den besten Rübenschnaps, durch Kohle gefiltert, Alkoholgehalt nach Wunsch, herstellen. Später konnte man ihn auch mit verschiedenen Essenzen mischen. So stellte man auch „Danziger Goldwasser“ her. Natürlich war das verboten. Die Behörden verfolgten es aber nur wenig. Auf Tanzveranstaltungen waren die Ordnungshüter nicht abgeneigt, „mal einen in gemütlicher Runde“ mit zu genießen.

Johann und Heinz Glüsing, die uns, wie bereits erwähnt, seit Jahren Brot lieferten fragten mich mal: „Hini, wir haben einen kleinen Sportlerkommers, wie wäre es mit ein paar Flaschen –Privaten-?“ Gute Freunde, Kollegen aus Beruf und Sport, fragten auch und ich tat ihnen den Gefallen.

Ein ehemaliger Berufskollege und Jagdfreund aus Bremervörde bat mich einige Male schriftlich um eine Flasche für stattfindende Tanzvergnügen. 50,- Reichsmark, als kleine Anerkennung hatte er immer beigefügt.

Das Geld hatte damals nicht viel Wert. Zum Vergleich: ohne Marken kosteten 500 Gramm Zucker 80,- Reichsmark. Alles war rationiert.

Bei einer Fahrradfahrt um den Vörder See traf ich meinen Jagdfreund vor einiger Zeit wieder. Natürlich kam auch diese alte Geschichte zum Gespräch „weiß du noch …?“

Weiter möchte Ich von unserem ersten Faßloombeer berichten.

Bei meinen Nachbarn Gerd Müller fand auf der Diele ein Theaterabend statt. Von einigen „Älteren“ kam die Idee: „wollen wir nicht mal Faßloom machen?“ für uns „Jüngeren“ war das ganz neu. Man war sich sofort einig. „Das machen wir.“ Am anderen Morgen war auf der Diele von Müller Treffpunkt. Hier ging es los, die Kapelle vom vorherigen Abend machte weiter. Es war das erste öffentliche Vergnügen nach dem Krieg im Januar 1947.

Gerd Müller senior marschierte mit ca. 25 Personen vorweg bis zur Mühle Oerding. Jung und Alt, auch die Flüchtlinge, machten mit. Gerd Müller ging als erster ins Haus, die Kapelle spielte vor dem Haus und man wünschte „Prost Faßloom“. So ging es von Haus zu Haus weiter. Dann wurde kurzfristig beschlossen, abends auf der Diele das Faßloombier zu feiern. Einige junge Leute gingen mit einem Drahtkorb durchs Dorf und sammelten Speck. Anschließend wurde der Speck bei uns in der Waschküche durch die Wurstmaschine gedreht. Die Nachbarn hatten Grünkohl gebracht, den Vater mit seiner kleinen Grasschneidemaschine sauber zerkleinerte. Mutter kümmerte sich um die Zutaten. Unser Waschkessel fasste 125 Liter und war voll. Mit einer Fettschicht von 20 cm.

Der Faßloomzug bekam in vielen Häusern einen „eingeschenkt“, und die Anwesenden hatten jede Menge Rübenschnaps dabei! Es war ein Erlebnis und alle Einwohner machten vergnügt mit.

Abends auf der Diele gab es für Jedermann den fettigen Grünkohl. Man bedenke es war 1947. Die Gendarmen Jatzo und Erich Röber von der Polizeistation Engeo waren auch dabei. Erich Röber war ein sehr guter Handballspieler und, ich glaube Deutscher Meister im Weitsprung bei den Bundesdeutschen Polizeiwettkämpfen. Beide fühlten sich bei uns und den Selbstgebrannten sehr wohl.

Am 26.06.1948 kam die neue Währung und mein Schnapsbrennen war vorbei. Andere haben noch ein paar Jahre weitergemacht.
Am 1. Oktober 1948 hatte mein Bruder Johann seine Maurerlehre bei J. D. Burfeindt in Bremervörde beendet. Ein Grund dieses mit seinen Kollegen zu feiern. Aber Rübenschnaps gab es dabei nicht mehr.

Von der Firma Schabbel konnten wir sämtliche alkoholischen Getränke bekommen. Die erforderliche Konzession bekamen wir aber erst 1949. Bis dahin bezogen wir den Alkohol Privat.

Eines Tages hielt neben unser Haus ein VW. Drei Männer stiegen wortlos aus und sagten nur kurz: „Wir sind vom Hauptzollamt Stade“. Dann ging das stöbern los. Im Laden, in der Scheune, im Garten usw., überall wurde „rein gerochen und geschnuppert“. Auf meine Frage warum etc., kam ebenfalls nur kurz: „Anzeige vom OKD wegen Schnapsbrennen“. Ich rief OKD Behneke an und wurde dann mit der Gewerbeaufsicht verbunden. Der zuständige Otto Maaß sagte mir: „Der Wirteverband hat sie angezeigt“. Man hat nichts gefunden. Die Anzeige war Gegenstandslos. Aber wir wussten nun wo das herkam.
1955 haben wir die Konzession für die Gastwirtschaft bekommen. Mit ähnlichen Schwierigkeiten, aber die Einwendungen wurden sofort verworfen. Ein späteres Anmerken wurde von unserer ganzen Familie nicht gemacht.

Ich danke meiner Schwiegertochter Monika für die Abschrift. Hinrich Kück 2012